Ich muss aufpassen.


Ich darf mich nicht den Verlockungen einer Sprache, die mit richtig und falsch argumentiert, hingeben. Wenn ich die andere Seite kennen lernen will, ist Zeit das beste Instrument, Kritik zu üben: „Lege zwei Zeiten nebeneinander und es entsteht automatisch Kritik. Keine Zeit will die andere stehen lassen, keine Zeit will den Raum mit einer anderen teilen.“ Ich habe das einmal geschrieben. Ich glaube immer noch, dass es stimmt. Das beste Mittel, eine Gegenwart zu kritisieren, ist die Vergangenheit, nicht irgendeine ferne unbeteiligte Vergangenheit, sondern eine, die man selber erlebt hat als Zeug*in einer Veränderung. Es kann eine gefühlte Veränderung sein, dass ein Wort sich jetzt anders anfühlt als früher, Unbehagen auslöst oder dass man das Unbehagen fühlt, das ein Wort jetzt auslöst, weil es so danebenliegt, während früher jede*r wusste, was damit gemeint war. Spüre ich die allgemeine Ablehnung, hört meine Solidarität mit dem Wort auf. Das ist wie Fremdschämen. Niemand darf wissen, dass ich eine frühere Beziehung zu dem Wort, das mein Ex-Wort geworden ist, verleugne. Mit der Dissidenz dieser Wörter will auch ich nichts zu tun haben und gehe im Einklang mit der Gesellschaft konform auf Abstand. Obwohl ja der verschobene Sinn der Wörter nur die Spitze des Eisbergs darstellt und darunter ein ganzer Zeitkomplex liegt, den es zu bergen gilt. Kritik übt sich im Nachdenken über Bedeutungen. Sprache übt permanent Kritik an sich selbst. Im Erwecken der anderen Sinne wird der gegenwärtige Sinn erschüttert. Die möglichen anderen Sinne flottieren nicht frei und beliebig, sondern sind zeitlich verortet. Man merkt an den Unterschieden, wie sich die Zeiten verändert haben, sofern man es wissen will. Es kann anders sein!