Wombats, Gras und Traumata
... Auch in diesem Struwwelpeter illustrieren die Zeichnungen nicht den Text. Durch einen wunderbar gelungenen Kunstgriff der Zeichnerin Eleonore Weber spalten sich die Bilder erneut vom Text ab, um das Ganze wiederum schizophren aufzuladen. Nach hundertundsiebzig Jahren kehren die gequälten Kinderfiguren als nicht eben niedlich anmutende Tiere zurück. Damit kommt auch der Schrecken endlich wieder zum Vorschein. Jetzt aber als einer, der den Erwachsenen Masken vorhält, die sie von sich
selbst nicht mehr abtrennen können. Konsequent tauchen sie schon im Text kaum mehr auf und in den Bildern fehlen Erwachsene völlig. Ihre Präsenz jedoch bleibt gewahrt in der zurückweisenden Geste der sich aussprechenden Jugendlichen, sowie in der Frage, welch mäßiges oder monströses Bild denn sie selbst in jener tierischen Heranwachsendenwelt abgeben würden. Nebenher verkehren sich damit auch andere Zuteilungen. Hans Guck-in-die-Luft wird zum Computernerd, Pauline geht lieber Fremd-zündeln, der böse Friederich wird Friederike und Erwachsene dürfen sich vor Jugendlichen, wie vor sich selbst, gern wieder etwas mehr fürchten.
Oliver Thielert: Vorwort zu Wombats, Gras und Traumata 2015.
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